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Anschreiben Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (Professor Dr. Markus Jager)

Auszug aus dem Buch
Albrecht Haupt (1852-1932)
Architekt, Bauhistoriker, Denkmalpfleger und Friedhofsreformer

Herausgegeben durch Markus Jager – erschienen im Michael Imhof Verlag (ISBN 978-3-7319-1298-9)

Buchbeschreibung:
Dieses Buch stellt das Werk des Architekten Albrecht Haupt vor und würdigt es in seiner ungewöhnlichen Bandbreite. Neben seiner Eigenschaft als Bauhistoriker, Hochschullehrer und Sammler historischer Grafik war Haupt zeit seines Lebens vor allem als praktizierender Architekt tätig. Dabei schuf er zahlreiche Bauten, insbesondere städtische Geschäftshäuser sowie Villen, Landhäuser und Schlösser. Darüber hinaus hat Haupt eine Vielzahl historischer Bauten denkmalpflegerisch betreut, darunter das Leibnizhaus in Hannover, die Stadtkirche in Bückeburg oder das Schloss Basedow in Mecklenburg. Ein weiteres langjähriges Tätigkeitsfeld von Haupt war die Friedhofskultur. Er setzte sich für das Feuerbestattungswesen ein und projektierte Krematorien und Nekropolen für die Millionenstädte der Moderne. Die erhaltenen Bauten von Albrecht Haupt wurden für dieses Buch von Olaf Mahlstedt fotografiert.

Ab Seite 93:
Eines der letzten konservatorischen Projekte, das Albrecht Haupt auch nach der Umsetzung betreute, war das Rathaus im holsteinischen Wilster, das 1585 errichtet worden ist.

Alfred Haupt Seite 94

Alfred Haupt Seite 95

Alfred Haupt Seite 96

 

Im Unterschied zur Amtspforte in Stadthagen besitzt es einen massiven Unterbau aus Backstein, der von einem Fachwerkaufsatz bekrönt wird. Das Restaurierungsprojekt für das Rathaus in Wilster zählt zu den wenigen, von dem nicht nur Entwürfe, sondern auch maßstäbliche Bestands- und Bauphasenpläne aus dem Büro Haupt überliefert sind (114 Stadtarchiv Hannover, NL Haupt, Fach 503). Vor dem Umbau durch Haupt besaß das Rathaus ein Doppelportal (Abb. 89-90). Die linke Tür öffnete sich zur Treppe in die oberen Geschosse, während die rechte Tür der Erschließung des Erdgeschosses diente. Nach Auffassung von Haupt basierte diese Erschließungssituation auf nachträglichen Umbauten des 18. Jahrhunderts. Haupt ging davon aus, dass sich im Erdgeschoss ursprünglich ein größerer und höherer Saal befunden hat, in dem die Treppe in die oberen Etagen offen eingestellt gewesen ist. Diesen Saal beabsichtigte er wiederherzustellen (Abb. 91-92). So sollte das Doppelportal entfernt und stattdessen ein Hauptportal errichtet werden. Zudem sollte der Saal im Erdgeschoss eine hohe Dreifenstergruppe erhalten. Diese Maßnahmen wurden auch tatsächlich umgesetzt (Abb. 93).
Man kann Albrecht Haupt nicht den Vorwurf machen, dass seine Restaurierungen ästhetisch misslungen gewesen wären. Im Gegenteil, sein künstlerisches Einfühlungsvermögen war durchaus groß. Unter der Maßgabe eines stil- und epochengetreuen Entwerfens legte Haupt eine ungewöhnliche Könnerschaft an den Tag. Aber nach heutigen Maßstäben blieb Haupt in seiner konservatorischen Praxis ein Kind des 19. Jahrhunderts, auch wenn er sich in seinem Aufsatz von 1899 eigentlich von dem Prinzip der Stileinheit distanziert und zum gewachsenen Denkmal bekannt hatte. In der Abwägung war ihm das ästhetisch unversehrte Baukunstwerk letztendlich wichtiger als ein von Brüchen und Widersprüchen geprägtes Geschichtsdenkmal. Das „Auseinanderrestaurieren“ verschiedener Zeitgeschichten in einem Bauwerk hätte Haupt nicht verstanden. Den Verfassern der Charta von Venedig, die bekanntlich das Axiom „Stileinheitlichkeit ist kein Restaurierungsziel“ geprägt haben, hätte Haupt wohl entgegnet; „Jedes historische Bauwerk hat üblicherweise mehrere Bauphasen erfahren. Aber Bauphasen sind kein Restaurierungsziel“.

 

 

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