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Neben der Bibliothek des Kanzleirates Johann Hinrich Doos, die von seiner Witwe, der allerseits hoch verehrten Frau Etatsrätin Louise Doos, im Jahre 1829 der Stadt Wilster testamentarisch vermacht wurde und heute noch etwa 3.000 Bände umfasst, beherbergt das alte Rathaus von 1585 jetzt auch über 1.500 Bände aus dem Nachlass des 1928 verstorbenen Übersee-Kaufmannes Gustav J. J. Witt, Hamburg. Sein ältester Sohn Gustavus F. C. Witt, Arosa, gleich dem Vater der Wilstermarsch als Heimat des Geschlechtes stark verbunden, fügte seinen bisherigen Stiftungen für die St.Nikolaus-Kirche zu Beidenfleth diese Gabe an die Stadt Wilster hinzu.

Um das Verhältnis der Witts zur Wilstermarsch verstehen zu lernen, werfen wir einen Blick in ihre Familiengeschichte. Die Familie Witt-Warstede vermag ihren Stammbaum in der Folge von 15 Generationen bis ins 15. Jahrhundert in der Marsch nachzuweisen. Zu Anfang lebten sie auf einem Hof in Beidenflether-Uhrendorf, der zum Kirchdorf Beidenfleth gehört. Ein Teil dieses Besitzes war Wewelsflether Kirchenland mit der Flurbezeichnung "Warstede", nach dem sich diese Linie der Familie Witt benennt. Die Witts, weiter in die Zweige Fockendorf, Hamburg, Arentsee und Norder-Dithmarschen eingeteilt, waren allzeit als strebsame, angesehene Leute bekannt. Bürgermeister, Kirchenjuraten und Deichgrafen sind aus ihren Reihen hervorgegangen. Ihre Höfe, behäbig auf Wurten liegend, unterstreichen die Schönheit dieses Landstrichs.

Dass diese Familie, getreu ihrem Wahlspruch "In secundis modestus, in adversis fortis' (Im Glück bescheiden, im Unglück standhaft) auch Notzeiten zu überstehen vermag, ist aus der von Pastor Dr. Wilhelm Jensen nach den hinterlassenen Aufzeichnungen von Gustav J. J. Witt erarbeiteten Familienschrift "Die Witt-Warstede" zu ersehen (bei J. J. Augustin, Glückstadt 1935). Der 1786 auf dem Familienhof in Fockendorf geborene Marten Witt lebte mit seiner Frau Anna Stark von Uhrendorf und seinen 12 Kindern auf einem prächtigen Hof in Bischof (jetzt Reimer Heesch). Schuldenfrei hatte er diesen Besitz übernommen, doch zwangen ihn die schweren Zeiten Anfang des 19. Jahrhunderts (dänischer Staatsbankrott, feindliche Besatzung und die verheerende Sturmflut von 1825), ihn aufzugeben. Er eröffnete in Hamburg ein Vieh-Kommissionsgeschäft, das nach seinem frühen Tode (1837) von seinem Sohn Marten fortgeführt wurde. Dessen Bruder Marx Witt betrieb die Ausfuhr selbst hergestellter Fleischkonserven und Schiffsproviantierung. Mit dem jüngsten Sohn von Marx Witt, Gustav Johannes Julius Witt (1854-1928), sind wir wieder bei dem Begründer der Bibliothek Witt-Warstede angelangt.

Nach vortrefflicher Schul- und kaufmännischer Ausbildung und nach Absolvierung Einjährig-Freiwilliger Dienstzeit im Inf. Regt. Nr. 31 in Altona arbeitete Gustav J. J. Witt bei seinem Schwager Carsten Emil Bade in Shanghai und Hongkong. Mit 25 Jahren gelang es ihm, für eigene Interessen in den USA gute Geschäftsverbindungen anzuknüpfen. Ein Im- und Exportgeschäft großen Stils mit Niederlassungen in Rotterdam, Kopenhagen und Berlin sowie ein Bankgeschäft waren Zeugen wirtschaftlicher Tüchtigkeit. Ansehen und Vertrauen seiner Mitbürger fanden ihren Niederschlag in Ehrenämtern der Hansestadt Hamburg. Verheiratet war Gustav J. J. Witt mit MéIanie Barwasser, die einer angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie entstammte und zur Hüterin eines glücklichen Familienlebens wurde.

Der 1. Weltkrieg setzte der glänzenden Aufwärtsentwicklung des Unternehmens, das Beziehungen mit Nord- und Südamerika, Kanada, England, Australien, Holland und Dänemark unterhielt, ein jähes Ende. Jedoch nach dem Waffenstillstand bewiesen die alten Geschäftsfreunde ihr großes Vertrauen, so dass Gustav J. J. Witt im Jahre 1920 seinem Sohn Gustavus ein intaktes Geschäft übergeben konnte.

Er selbst widmete sich in seinen letzten Lebensjahren der Familien- und Heimatforschung. Kurz vor seinem Tode beendete er "Die Geschichte der Wilstermarsch". Mit diesem Werk wollte er seiner Familie eine Übersicht über die Geschichte ihrer Heimat geben. Schon früh hatten ihn seine Söhne Gustavus und Cornelius auf heimatkundlichen Fahrten in die Wilstermarsch begleitet, wurden sie Zeugen seiner Stiftung für die Heimatkirche in Beidenfleth, lernten sie die Eigenart von Land und Leuten verstehen.

In Verehrung für seinen Vater und aus Zuneigung zum Ursprungsland seiner Sippe beschloss Gustavus F.C.Witt, seit 9.12.1962 Ehrenbürger von Beidenfleth, die auf ihn überkommene, reichhaltige Bibliothek seines Vaters der Familienheimat zu stiften. In Anwesenheit des Magistrats und einiger geladener Gäste nahm er am 10. Oktober 1967 im alten Rathaus zu Wilster die Übereignung vor. Nachdem Gustavus Witt seiner Vorfahren gedacht - ein Detlef Witt hatte bereits um das Jahr 1500 die Geschicke der Stadt als Ratsherr und Bürgermeister geleitet - und seinem Bruder Cornelius für umfangreiche Vorarbeiten zur Überstellung der Bücher gedankt hatte, sprach er die Hoffnung aus, die Bibliothek seines Vaters möge weiterleben und erzieherisch wirken, denn - nach einem Zitat der großen Königin Christina von Schweden - die Kenntnis der Vergangenheit sei ein großer Gewinn für die Zukunft.

Bürgervorsteher Karl Huusfeldt und Bürgermeister Johannes Handt dankten im Namen der Stadt Wilster für die hochherzige Stiftung und versprachen eine sorgfältige Pflege der Bücher. Pastor Lohse wies darauf hin, dass die Bibliothek ursprünglich habe in Beidenfleth, dem Heimat-Kirchdorf der Witts, aufgestellt werden sollen. Da hier jedoch Unterbringung und Betreuung nicht in dem Maße gegeben seien wie in Wilster, erkläre er sich mit der jetzigen Regelung gern einverstanden.

Die Bibliothek Witt-Warstede umfasst einige alte Bibeln, kirchenhistorische und juristische Werke des 17. und 18. Jahrhunderts, wertvolle Konversations-Lexika, genealogische Kalender, Weltgeschichten, historische Schriften, national-ökonomische, naturwissenschaftliche und geographische Werke, Biographien, die deutschen Klassiker, englische und französische Literatur, einige Werke in chinesischer Sprache und zwei Specialsammlungen über Friedrich den Großen und Bismarck, denen die besondere Verehrung von Gustav J. J. Witt gegolten hatte.

Das Faszinierende an dieser Bücherei ist die Erkenntnis, dass sich hier ein aufgeschlossener Geist mit großer Hingabe dem Studium gewidmet hat. Viele Anmerkungen und beigefügte, einschlägige Zeitungsausschnitte zeugen dafür.

War die Stadt Wilster durch die Doos'sche Bibliothek bereits im Besitz der beispielhaften Bücherei einer gebildeten Familie des 18. Jahrhunderts, so schätzt sie sich jetzt glücklich, mit der Witt-Warstede-Bibliothek den Anschluss an das 19. Jahrhundert gewonnen zu haben.

Quelle: Steinburger Jahrbuch 1969 (Autorin: Karla Lammers)

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