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Helmut Jacobs berichtet
Am 15. Juni jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem die Marschenstadt Wilster ihre größte Katastrophe erlebte. Kurz nach 9 Uhr morgens brachte ein angloamerikanischer Fliegerangriff Zerstörung, Tod und unendliches Leid über die Stadt. Zwölf viermotorige Bomber waren im Schutz von sechs Jägern über die Marsch gejagt und hatten rund einhundert Sprengbomben über Wilster abgeworfen. Eine sichere Erklärung dafür, warum gerade über Wilster eine Bombardierung erfolgte, gibt es nicht. Die Wilsteraner Nazis verbreiteten die Version, dass die Bomben entweder für Hamburg oder für die Schleusenanlagen in Brunsbüttel bestimmt waren. Die Bomber seien von der Flugabwehr abgedrängt worden. Sie hätten sich über Wilster ihrer Bomben entledigt, um weniger belastet nach England zurückfliegen zu können. Diese Behauptung kam von den Nationalsozialisten, weil es zu ihrer Ideologie passte. Aber über einhundert Bomben einfach so wahllos abzuwerfen, ist auch nicht sehr wahrscheinlich. Aus Erzählungen weiß man, dass die Bomber in anderen Fällen ihre übriggebliebenen Bomben über der Elbe oder über der Nordsee abgeworfen haben. Vielleicht hatte man doch Hinweise und Erkenntnisse über kriegswichtige Einrichtungen in unserer Stadt. Tatsache ist: Etwa eine Woche vor dieser Bombardierung begann die Landung der Alliierten in der Normandie und es ist bekannt, dass die Alliierten sich im Juni 1944 in zahlreichen Luftoffensiven auf die Zerstörung der Treibstoffindustrie und der Fabriken, die für die Nachschubproduktion verantwortlich waren, konzentrierten.

In den Mühlenwerken von Gustav Lumpe wurden Lebensmittel für den Nachschub produziert. Die totale und möglicherweise gezielte Zerstörung dieser Mühlenwerke könnte ein Teil dieses Konzepts gewesen sein. Die meisten Bomben trafen den Bereich Lange Reihe, Steindamm, Bahnhofstrasse und Klosterhof. Der Angriff dauerte nur wenige Minuten und hinterließ eine grauenvolle Bilanz. Es gab 51 Tote, darunter viele Fremdarbeiter, die in der Lumpschen Mühle tätig waren. Mehrere Hunter Menschen waren verletzt. Wilster bot ein Bild der Zerstörung. 34 Häuser waren total vernichtet worden, 109 Häuser waren nicht mehr bewohnbar und 300 weitere beschädigt. Auch markante Gebäude wurden von den Bomben getroffen. Neben den bereits erwähnten Mühlenwerken waren auch das Krankenhaus Menckestift und die Stadtwerke bombardiert worden. Die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung fielen völlig aus. Das Wilstermarschhaus Op den Göten war so beschädigt, dass es später abgerissen werden musste. Die Kirche hatte im Orgelbereich schwere Treffer abbekommen. Sie konnte mehrere Jahre nicht benutzt werden. Der Gottesdienst fand im Gasthof Lübbe in der Schmiedestraße statt und an Feiertagen im Colosseum. Weihnachten 1954 – also zehn Jahre später – erklang zum ersten Mal die neue Orgel in der Sankt-Bartholomäus-Kirche.

Zu den Wilsteraner Toten gehörten auch Elfriede Ballerstädt und Maria Dorn. Das Haus der Fotografenfamilie Ballerstädt in der Bahnhofstraße wurde total zerstört. Dabei wurden auch die historischen Fotoarchive vernichtet. 1954 wurde mit dem Wiederaufbau des Hauses begonnen.

In der Zeit des Bombenabwurfs war der „Totale Krieg“ längst propagiert. Die Nationalsozialisten veranstalteten eine aufwendige Trauerfeier in der Sporthalle und nutzen diese für ihre Propagandazwecke.

Anmerkung der Web-Redaktion: Bilder und Berichte zum Bombenangriff auf Wilster finden Sie auch auf der Website „Mein Wilster“ von Peter von Holdt unter "Luftangriff auf Wilster". 

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