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Maritimes aus alten Tagen
Am Aktionstag "Die Wilsterarsch erfahren" am 14.09.2025 hat der Maler und Grafiker Arno Kruse im Alten Rathaus einen Bildervortrag zum traditionellen Schiffbau in Wilster gehalten.
Eine wesentliche Existenzgrundlage der Stadt Wilster und der Wilstermarsch waren die Landwirtschaft und die Schifffahrt. Ohne die schiffbare Wilsterau wäre die damalige hier ansässige Schifffahrt und der Berufszweig Holzschiffbau nicht möglich gewesen. Werften und Schifffahrt waren mit der damaligen Schiffergilde untrennbar miteinander verbunden.
Die folgenden Bilder hat uns Arno Kruse zur Verfügung gestellt.
Auszug aus dem Steinburger Jahrbuch 2001
Die Wilster Au teilte im übrigen die Stadt für Jahrhunderte in eine "neue" und eine "alte Seite" und gab außerdem Wasser in die beiden Teilstrecken des Stadtgrabens ab, die zusammen die ganze Stadt umflossen. Der Hafen lag am Südufer der Wilster Au zwischen Sielwettern und dem neuen Burggraben auf einer künstlichen Insel, die lediglich über drei Stege betreten werden konnte und den romantischen Namen "Rosengarten" trug. (Die Wilster Au-Ewer hatten bis 1870 eine Länge von 11 bis 15 m und eine Breite von 3,00 bis 3,60 m. Die später gebauten Ewer waren bis 15,20 m lang und 4,17 m breit. Der Mast der Au-Ewer hatte eine Höhe von 4 bis 5 m über Deck. Der Tiefgang lag zwischen 1, 10 m und 1,27 m. Diese Maße erklären, warum die Innenstadt von Wilster bis ins 20. Jahrhundert von Handelsschiffen angelaufen werden konnte, wenn sie gewisse Maße nicht überschritten.)
Ab 1810 wurden nach Wilster von Hamburg aus für jeden Dienstag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend "Schiffsgelegenheiten" (Hamb. Adressbuch v. 1810) angeboten.
Und auch nach Einsetzen der Industrialisierung hingen die meisten Arbeitsplätze weiterhin von der Schifffahrt sowie von Herstellung und Vertrieb landwirtschaftlicher Erzeugnisse ab, zumal für Schwertransporte von und nach Wilster nach wie vor nur der Wasserweg in Frage kam, auch als im November 1852 eine Chausseeverbindung von Wilster nach Itzehoe eröffnet wurde. Bis zu einer Verstärkung des Unterbaus (01.01.1853) durfte sie sowieso nur von leichteren Fahrzeugen benutzt werden. Die Trasse Itzehoe-Wilster wurde 1854 über St. Margarethen bis Brunsbüttel verlängert. Ab 1877 verfügte Wilster über einen Bahnanschluss.
So konnten zwei Ewerwerften, die von Falck (1856-84) und Bergmann (1840-1907), zeitweilig recht gut von den Neubau-Aufträgen der hiesigen Schifffahrt existieren, und sie bauten jeweils mehr als 25 Frachtfahrzeuge. Immerhin führten 43 Fracht-Ewer, unter diesen 35 reine Binnenschiffe, den Ortsnamen"Wilster" als den ihres Heimathafens am Heck.
Durch den Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals (1887-1895) wurde der Wilster Au der gesamte Oberlauf abgeschnitten. Eine Schleuse bei Bebek regulierte zwar den Wasserstand, doch stellten sich dadurch neue Missstände ein, da eine Spülung der Au durch das Oberwasser zum Teil aufgehoben wurde. Die Schiffer beschwerten sich seit dem Kanalbau über den ungenügenden Wasserstand der Wilster Au, die Landwirte an der oberen Wilster Au über zu hohen Wasserstand und die Einwohner von Wilster klagten über die ungenügende Entsorgung der gesundheitsschädlichen Abflüsse der Gerbereien und Lederfabriken. Die Stadt versorgt sich deshalb seit 1914 durch Anlage einer Wasserleitung mit besserem Grundwasser von Kleve. Neue Entwässerungsanlagen sorgten aber noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Abhilfe bei den betroffenen Landwirten. Dagegen kam die Schifffahrt oberhalb Wilsters wegen der Verschlickung der Au fast ganz zum Erliegen und auch auf dem Unterlauf nahm die Schifffahrt dramatisch ab: Im Jahre 1910 zählte die Stadt nur noch 12 Seeschiffe und etwa 20 Fluss- und Binnenschiffe. Freilich ist der Niedergang der Schifffahrt auch auf den Untergang der Lederfabriken und andere Umstände (verkehrsgeographische Situation Wilsters im Deutschen Reich; Kapazitätsgrenze des Hafens am "Rosengarten"; neue Verkehrsträger wie Schienen und Chausseen, neue Verkehrsmittel zurückzuführen (vgl. meinen Beitrag über "Schifffahrt, Hafen und Handel in Wilster" im Steinburger Jahrbuch 1983"). Kein Wunder, dass sich die Wilsteraner Bürger, die Landwirte entlang der Wilster Au und die Handelsschiffer seit der Fertigstellung des Kaiser-Wilhelm-Kanals eine Besserung der bestehenden Umstände durch den in Aussicht genommenen Neubau der Wilster Au-Schleuse bei Kasenort erwarteten und zudem die Tatsache hoch bewerteten, dass die Au nach dem Wassergesetz vom 7. April 1913 zu einem Wasserlauf 1. Ordnung erklärt wurde, dessen Unterhaltung von da ab dem Staate oblag. Doch dann kam 1914 der Erste Weltkrieg. Aber spätestens nach dem oben bereits erwähnten Unglücksfall mit der Segelschute "Pirat" am 5. September 1920 wurde die Forderung nach einem Schleusenneubau in Kasenort erneut gestellt.
Quelle: Steinburger Jahrbuch 2001 (Autor Manfred Koch)