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Peter Schiller

15. Juni 1944 - der Bombenangriff auf Wilster
Einer Anregung von Jürgen Proll aus Barmstedt folgend versucht der Verfasser nach nunmehr nahezu 60 Jahren herauszufinden, wie es zu der Bombardierung kam, die neben beträchtlichem Sachschaden auch eine Reihe von Toten gefordert hat.

Im Vorfeld der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie – dort D- Day genannt, bekannt auch als der „längste Tag“ – wurde durch fast tägliche schwere Luftangriffe versucht, Küstenbefestigungen und Bahnlinien, die in das Invasionsgebiet führten, systematisch zu zerschlagen. Dabei wurde auch bis zum letzten Tag darauf geachtet, dass alle Bombardierungen einen vermeintlichen Schwerpunkt auf den Pas de Calais legen, der als gigantisches Täuschungsmanöver den Deutschen als Invasionsziel vorgegaukelt wurde (Operation Cover). 

In den ersten fünf Tagen des Juni 1944 warfen insgesamt 2.400 Boeing B17 Flying Fortress und 620 Consolidated B24 Liberator 8.386 Tonnen Bomben ab. Begleitet und abgeschirmt wurden sie dabei von 417 P38 Lightning, 676 P47 Thunderbolds und 689 P51 Mustang Jagdflugzeugen. Das britische Bomber Command beteiligte sich in der gleichen Zeit in Nachtangriffen mit insgesamt 1.867 Bombern der Typen Lancaster, Halifax und Moskito mit Angriffen auf ähnliche Ziele mit ähnlichen Bombenmengen.

Am Invasionstag selber warfen 2.587 B17 und B24 nochmals 4.852 Tonnen in die Landezonen und nach der Landung weiter landeinwärts. Den ganzen Tag über patrouillierten 555 P38, 414 P47 und 750 P51 über der Landezone und weitere 182 P47 und 218 P51 griffen taktische Ziele in Nordfrankreich an. Der kommandierende General der 8. USAAF, General Doolittle, überzeugte sich 90 Minuten lang persönlich in einer leicht für alle alliierten Flakgeschütze zu identifizierenden Doppelrumpf P38 Lightning von dem befehlsgemäßen Fortgang der Luftangriffe. Die Briten steuerten in der Nacht zum 6.6.44 1.012 Flugzeuge bei, die 5.000 Tonnen Bomben in die beabsichtigten Brückeköpfe warfen, um die Küstenbefestigungen zu zerstören. Eine unglaubliche Armada. Demgegenüber „brausten“ während des Tages 2 (zwei) deutsche Focke Wulf FW 190 A8 Jagdflugzeuge, Oberstleutnant Priller und sein Rottenflieger von JG 26 über den Brückenkopf. Mehr war am 6.6.44 nicht verfügbar.

In den Tagen bis zum 15.6.44 wurde am Tag weiterhin nur das Vorfeld der Invasionsbrückenköpfe mit insgesamt 7.274 Bombern angegriffen, die weitere 13.755 Tonnen Sprengmittel abwarfen. 6.685 Jäger bekämpften als Jagdbomber den deutschen Bewegungen und warfen ebenfalls 890 Tonnen Bomben. In den Nächten warfen 4.826 Bomber des britischen Bomber Command entsprechende weitere Mengen ab.

Der generelle Angriffsbefehl für die 8.USAAF am 15. Juni 1944 sah vor, erstmals neben weiteren Zielen in Frankreich wieder Ölanlagen in Deutschland anzugreifen, da man offensichtlich davon überzeugt war, dass die Invasionsfront inzwischen stabil war.

Die Mission 8AF 414 wurde daher gesplittet :
614 B24 und 424 B17 griffen mit der Vorausjagd von 177 P38 und einer Eskorte von 500 Jägern Ziele in Frankreich an. An ca. 200 B17 war der Befehl ergangen, mit entsprechender Jägereskorte die Ölraffinerie in Hannover- Misburg anzugreifen. Bei schlechtem Wetter mit durchgehenden Wolken fanden nur 172 Flugzeuge das Primärziel und warfen 419 Tonnen Bomben ab. Die restlichen Bomber versuchten Sekundärziele oder sogenannte targets of opportunity, lohnende Ziele am Wege, zu finden.16 warfen in Wesermünde, 2 im Großraum Hannover und eine Maschine auf Helgoland ihre Bomben ab. Die 100. Bombergruppe, bekannt als The Bloody 100th., war ebenfalls mit vier Teileinheiten, der 349., 350., 351. und 418. Staffel an dem Angriff auf Misburg beteiligt. Da kein Pfadfinder mitflog, konnte das Primärziel wegen geschlossener Wolkendecke nicht bombardiert werden, ebenso auch nicht das Sekundärziel, ein nördlich Hannover gelegener Flugplatz. Der kommandierende Pilot entschloss sich daher, über die Nordsee auszufliegen und einen zweiten Anlauf zu nehmen, um nicht die Bomben in dem dafür gekennzeichneten Areal in das Wasser werfen zu müssen. Eingedenk des generellen Befehls, auch Eisenbahnziele anzugreifen, die natürlich in den Zielkarten vermerkt waren, fanden 17 Maschinen der obigen Staffeln ein Wolkenloch, durch das sie einen gezielten Angriff auf die Stadt Wilster mit den bekannten Folgen fliegen konnten. Abgeworfen wurden 42 Tonnen Bomben. In der Annahme, dass alle Maschinen die bekannte 500lb – Bombe mit sich führte, fielen auf Wilster ca. 170 Bomben. Einige der angreifenden Besatzungen haben Aufzeichnungen hinterlassen, die heute in dem Archiv der 100th.BG zu finden sind.

1stLt. Harvey W. Dickert B17 No. 42-31412 351.Sqn.
100th. Mission No.140, June 15th. 1944
Zum ersten Mal über die Nordsee nach Deutschland, nicht sehr aufregend. Ein langer Weg, 10 Stunden Formationsflug. Wundervolle Jägerunterstützung von P38, P47 und P51 an allen Seiten der Bomberpulks. Keine feindlichen Jäger zu sehen. Leichte schlecht schießende Flak. Konnten die Bomben bei allen vorgesehenen Zielen nicht loswerden, da kein Pfadfinder mitflog. Warfen schließlich unsere 10 500lb Bomben durch ein Wolkenloch auf Wilster.

2ndLt. Henry Rosine B17 No. 42-102611 “Boss Lady” 350.Sqn LN-E
100th BG. Mission No.140, June 15th. 1944
Target Wilster

2nd.Lt. William F. Terminello jr. B17, Nummer nicht bekannt, 349.Sqn.
100th.BG Mission No.140, June 15th. 1944
Target Wilster

2nd.Lt. Murrey D. Johnson B17, Nummer nicht bekannt, 418.Sqn.
100th.BG Mission No. 140 B17, June 15th. 1944
Target Wilster

Lt. Paul G. Jones, B17, Nummer nicht bekannt, 418.Sqn.
100th.BG Mission No.140, June 15th. 1944
Target Wilster

2nd.Lt. John M. Shelly, B17 No. 43-37863 350.Sqn.
100th.BG Mission No.140, June 15th. 1944
Target Wilster

2nd.Lt. John E. Evans, B17, Nummer nicht bekannt, 418.Sqn.
100th.BG Mission No.140, June 15th. 1944
Target Wilster

Capt. James Ransom, B17 No. 42-38047, 351.Sqn. “Feaver Beaver” EP-O
100th.BG No. 140, June 15th.1944, aus dem Tagebuch von Emmet P. Schmidt Funker :
15. Juni 1944. Bin vor Mitternacht aufgestanden und flog um 04.00 Uhr ab nach Misburg, um die 5 Meilen östlich liegende Raffinerie zu bombardieren. Das Ziel war wegen Wolken nicht zu sehen, ebenso das Sekundärziel, ein Flugplatz nördlich Hannover. Wir flogen auf die Nordsee zurück und drehten um zu einem zweiten Anflug. Warfen unsere Bomben auf die Stadt Wilster und flogen heim. Keine feindlichen Jäger aber schwere Flakabwehr. Ein Flaksplitter schlug durch unsere linke Tragfläche. 8 Stunden Flug in 8.000 m Höhe.

Bombenangriff Wilster 1944

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